

Der Nordsee-Kurpark
Lange war dieser Ort in Vergessenheit geraten, seit 2019 engagiert sich jedoch der Nordsee-Kurpark e.V., um das außergewöhnliche Gartendenkmal zu erhalten.
Im Jahr 1898 erwarb der aus Tübingen stammende Arzt Dr. Karl Gmelin ein 50 Hektar großes Areal am heutigen Wyker Südstrand. Er schuf auf der für die Landwirtschaft ungeeigneten kargen Heidefläche eine Anlage mit einem Sanatorium, einem Schulinternat, unterschiedlichen Freiluft-Sportmöglichkeiten und einer außergewöhnlichen Parklandschaft. Das Nordsee-Sanatorium zog in den folgenden 30 Jahren exklusive Gäste an: Neben Mitgliedern der wilhelminischen Oberschicht, Persönlichkeiten aus Kunst, Kultur und Politik traf man ebenfalls wohlhabende Russen und Menschen anderer Nationalitäten in dem zukunftsweisenden Sanatorium an. Gmelin hatte die unterschiedlichen zeitgeistlichen Strömungen wie die Landheimerziehung, die Lebensreform und gestalterische Ansätze des Jugendstils aufgegriffen und vereinte diese in seinem Projekt. Er engagierte den Architekten August Endell für den Bau und die Planung der Gebäude, konnte den Reformpädagogen Paul Geheeb für die sanatoriumsinterne Schule gewinnen und ließ den Jugendstilkünstler Johann Vincenz Cissarz Logo und Plakate gestalten.
Kernstück des Sanatoriums war jedoch die von Dr. Karl Gmelin entwickelte Klimatherapie basierend auf den wissenschaftlichen Grundlagen der Meeresheilkunde. Die Klimadaten wurden täglich erfasst, um die jeweilige Wetterlage wie Medikamente gezielt bei Erkrankungen der Haut, Augen oder Atemwege einzusetzen. Kombiniert mit einer gesunden Ernährung behandelte Gmelin Patienten, die unter anderem an Tuberkulose litten.
Geblieben ist von dem einstigen Nordsee-Sanatorium nicht viel, neben einigen Holzhütten und dem Haus Otto, das August Endell zugeschrieben wird, ist nur der Nordsee-Kurpark erhalten.
Im Jahr 1900 begann der Gärtner Wilhelm Bülow damit, ein einzigartiges, weitläufiges Parkgelände anzulegen; außergewöhnliche Arten wie Himalaja- und Libanon-Zedern, Kirschlorbeer, seltene Bambusarten aus China, riesige Sitkafichten und mächtige Esskastanien wurden angepflanzt und es entstand eine botanische Parkanlage, die für Norddeutschland unüblich ist. Der Nordsee-Kurpark e.V. setzt sich nun für den Erhalt und die Pflege des Gartendenkmals ein und hat in den vergangenen Jahren bereits einiges bewirken können.
Angelehnt an die lange Geschichte der Bioklimatischen Forschungsanstalt, die noch bis in die 1970er-Jahre auf dem Gelände betrieben wurde, ist nun Ende 2021 eine medizinisch-meteorologische Wetterstation im Nordsee-Kurpark errichtet worden. Die auf einem vier Meter hohen Gittermast installierte Messstation erfasst Daten wie Feinstaub, Ozon, UVA- und UVB-Strahlung und überträgt diese ins Internet.
Ein besonderes Projekt ist auch der Audioguide, der Besucher anhand von 14 Stationen durch die historische Parkanlage führt und über die faszinierende Geschichte dieses einzigartigen Ortes informiert. Begeben Sie sich auf eine Reise durch die Vergangenheit, denn die Ideen von Gmelin sind heute aktueller denn je – Lebensmittel aus eigenem, nachhaltigen Anbau, Verzicht auf Fleisch, Tabak und Alkohol, Klimaforschung, Sport und Bewegung im Freien sowie eine moderne und ganzheitliche Erziehung.



Das Haus Ludwig beherbergt das Informations- und Veranstaltungszentrum sowie Bibliothek und Archiv des historischen Nordseekurparks.
Öffnungszeiten: Montags, Mittwochs und am letzten Sonntag des Monats von 11:00 – 13:00 Uhr.
Eingang zum Park: Sandweg neben der Gmelinstr. 23 und Aufstiegsbauwerk an der Promenade beim Schapers.
Den Audioguide des Nordsee-Kurparks finden Sie unter: http://audio.nordsee-kurpark.org/
Fotos: Maike Godbersen-Möller, Privatarchiv Harald Gmelin und Dieter Stoehr